Schon gehört vom neuen Konzept der „Matrix Production“? In Halle 17 der Hannover Messe 2016 offerierten Frauen und Männer aus den Ingenieur- und Informatik-Szenen der Maschinenhersteller ihren neuesten Techniktraum.
Den Kern bilden kleine flexibel konfigurierbare Produktionszellen. Jede Produktionszelle besteht aus vier „einarmigen“ Klein-Robotern. Mehrere Dutzend dieser Produktionszellen werden wie ein großes mathematisches Carrée – oder auch „Raster“ – in einer Werkhalle hintereinander in parallelen Reihen aufgestellt. Die Anzahl der Produktionszellen schwankt nach Bedarf, nach Auftragslage. Die „Matrix“ atmet.
Die Planer dieser Anlage beschreiben sie nüchtern und scheinbar neutral: „Alle Zellen sind mit prozessneutralem Equipment und typenneutraler Grundfunktionalität ausgestattet.“ Die Zellen sind „über eine frei programmierbare Bauteillogistik miteinander verkettet“. Das Ziel: „Skalierbarkeit in Variantenvielfalt“, „Modularität“ und „Typenflexibilität“.
Zwischen den Produktionszellen bewegen sich autonome, sich selbst steuernde Fahrzeuge, sogenannte mobile Transportroboter (Automated Guided Vehicles AGVs). Die vernetzten Produktionseinheiten werden als Cyber Physical Production System CPPS verstanden. Menschen sind in dieser „Matrix Production“ nicht vorgesehen.
Mit Hilfe virtualisierender Brillen kann sich der Mensch in die Matrix hineinbegeben, um entweder den Robotern und den „AGVs“ bei der Arbeit zuzuschauen, oder aber, um eventuelle Störungen im Ablauf oder im Transport nicht nur am Cockpit zu verfolgen sondern auch sich diese dreidimensional per intelligenter Sehhilfe veranschaulichen zu lassen.
Die Wucht der „Matrix Production“ entsteht weniger über die Beantwortung der Frage, ob diese Matrix-Organisation der Humanisierung der Arbeitswelt nachkommt, als vielmehr in der inneren Flexibilität der Zellenanordnung. Man könnte die Matrix zunächst verstehen als Produktionsanlage für typenmäßig gleiche Montagebauteile, die je nach Kundenauftrag spezifiziert werden. Die Masse der Produktionszellen lässt somit massenhafte „Losgrößen Eins“ fertigen. Dies wäre die Perspektive der unternehmensinternen flexiblen vertikalen Wertschöpfungskette.
Einen deutlich anderen Charakter erfährt das „Matrix“-Szenario, wenn man versteht, dass jede Produktionszelle einem völlig anderen Auftrag folgen kann. Die „Matrix-Production“ bildet dann einen Baustein neuer Infrastrukturen für flexible horizontale Wertschöpfungsketten.
Das könnte zu dem ungewöhnlichen Gedanken verleiten, jede Produktionszelle repräsentiere einen eigenständigen Auftrag bzw. Geschäftsprozess. Der Matrix-Betreiber wäre dann lediglich eine Art Facility Manager, der externen Akteuren (Dienstleistern) Produktionszellen vermietet.
Die flexible Konfigurierbarkeit als unternehmensinterne vertikale oder aber als unternehmensübergreifende horizontale Wertschöpfungskette gibt dieser potenziellen Vier-Null-Matrix eine unerhört starke Wirkungskraft. Dem Entwicklungsteam gilt wegen seiner softwaretechnischen Leistung zweifellos Respekt.
Doch der Traum des Teams ist in sich widersprüchlich: Oberflächlich betrachtet erinnert die „Matrix Production“ an das gescheiterte Konzept der menschenleeren Fabrik, an die „CIM“-Träume (Computer Integrated Manufacturing) der achtziger und neunziger Jahre. Der technikzentrierte Ansatz berücksichtigt nicht die große Bedeutung des intuitiven Erfahrungswissens der Mitarbeiter/innen. Ohne diesen „weichen“ Aspekt wird „Matrix“ nicht nachhaltig ans Ziel kommen können.
Selbstironisch inszenierte das Team auch gleich eine andere Produktionszelle: Zwei einarmige Roboter schenken den Besuchern Bier ein. Der eine Roboter hebt die Flasche an, öffnet sie und gießt den Inhalt in das Glas, das der zweite Roboter erst kurz zuvor spült, um es dann seinem „Kollegen“ zum Füllen hinzuhalten und um es im Anschluss dem durstigen sprachlosen natürlichen Betrachter hinüberzureichen.