Dieses noch unbestimmte Stichwort folgt den derzeitig gängig benutzten Begriffen „Industrie 4.0“ und „Arbeit 4.0“. Eines der wesentlichen Ziele von „Industrie 4.0“ ist die Digitalisierung und Virtualisierung betriebsübergreifender Wertschöpfungsketten. In Echtzeit sollen Geschäfts- und Arbeitsprozesse mit Hilfe besonderer elektronischer Werkzeuge wie etwa CPS Cyber Physical Systems umsetzbar werden. Diese Umorganisation von Arbeitsabläufen fordert die Mitbestimmung von Betriebsräten heraus. Wie aber soll eine betriebsübergreifende, entlang der Wertschöpfungskette angelegte Mitbestimmung aussehen? „Mitbestimmung 4.0“ in „Industrie 4.0“?
Im gewerkschaftsnahen Forum Soziale Technikgestaltung wurde jüngst eine herausfordernde Idee durchgespielt: Könnten neue Erfahrungen dadurch gesammelt werden, in dem ein ausgewählter Mitbestimmungsvorgang entlang einer firmenübergreifenden Auftragsabwicklung als Experimentiermodus im virtuellen Raum simuliert wird? Kann ein Betriebsräte übergreifender Mitbestimmungsprozess unter aktiver Nutzung des Cloud Computing, der CPS-Anwendungen und des Softbot-Einsatzes beispielhaft durchgespielt werden, um die Kommunikationsabläufe, Hindernisse, Schranken und Potenziale zu überprüfen?
Durch die Nutzung zentraler Instrumente von „Industrie 4.0“ für die Arbeit des Betriebsrates könnten Erfahrungen gesammelt, Risiken identifiziert und konstruktive Lösungen herausgefunden werden. Praxistests und Pilotierungen erbringen neues Erfahrungswissen. Zugleich könnten die Beteiligten lernen, wie sich interessengeleitete Technikgestaltung leichter operativ durchsetzen ließe. – Wer hat Erfahrungen mit einem solchen Ansatz? Wie könnte er realisiert werden?
Manfred Buerger says:
Bevor die betriebsübergreifende Mitbestimmung begrenzt auf ihren formalen Ablauf getestet wird – so verstehe ich den Vorschlag – , sollten die Ziele des Eingreifens in Bezug auf die Veränderung des Arbeitsprozesses bestimmt werden. Wie kann interessengeleitete Technikgestaltung angesichts der Veränderungen verstanden werden? Worauf, auf welche Arbeitsprozesse ist zu orientieren? Menschliche Gestaltung – wie kann das aussehen, worauf kommt es an? Wer bestimmt über Ziele und Ablauf-Programmierung? Nur eine Experten-Elite von Modell- und Programm-Entwicklern? Oder entsteht eine verteilte Arbeitsstruktur, in der Empirie und Theorie, Kontrolle und Optimierung zusammenwirken?
Juergen Doerich says:
Lieber Herr Schröter, ich glaube in ihrer Beschreibung dieser Unternehmens-organistation fehlt noch ein wesentlicher Aspekt! Die in der Wertschöpfungskette beteiligte Unternehmen sind wahrscheinlich nur temporär miteinander verbunden und zwar nur über den Lebenszyklus des Produktes bzw. der Dienstleistung hinweg. Danach wird sich die Wertschöpfungskette wieder auflösen. Ich glaube wenn man schon mal visionär die Sache betrachte, sollte man dies bis zum Schluss durchdenken.
Wir haben derzeit eine Mitbestimmung die ist erprobt und hat sich bewährt. Eine Erweiterung ist sicherlich vor dem Hntergrund der aktuellen Forschungs-ergebnisse nicht zielführen.
Um jedoch den Entwicklungsprozess Industrie 4.0 nicht aufzuhalten und dadurch ggf. Marktanteile auf dem Weltmarkt zu verlieren, sollten wir uns erstmal Gedanken machen, wie wir die derzeitigen “Hemmnisse” beseitigen können, um zukünftig auch am Produktionsstandort Deutschland noch wettbewersfähig zu sein. Ich bin sicher, da haben wir noch einiges vor uns!
Welf Schroeter says:
Lieber Herr Doerich, herzlich willkommen bei unserem Blog Zukunft der Arbeit. Es freut mich, dass ein solch positionsübergreifender Dialog möglich ist. – Zu Ihrem Kommentar: Zweifellos haben Sie in Ihrer Beschreibung Recht. Die flexiblen Wertschöpfungsketten verändern sich und sind nicht statisch. Sie sind eher auftrags- bzw. kundenbezogen. Dies müsste berücksichtigt werden. Sicherlich ist die Frage der Mitbestimmung entlang von Wertschöpfungsketten kein tagesaktueller Punkt. Er hilft aber beim Verstehen des Wandlungsprozesses. – Es würde mich freuen, wenn wir beim Auffinden von derzeitigen Hemmnissen gemeinsame Fortschritte machen können. Ich bin sicher, dass “Industrie 4.0” durch ein kooperatives Zusammenwirken der Sozialpartner “zum Fliegen kommen” kann. Diesen Erfolg werden wir zur Standortsicherung und zur Vorbereitung der Wertschöpfung von Morgen auch benötigen. Lassen Sie es uns versuchen!